Liebe Leserinnen und Leser,
erstmalig in Deutschland wird die Dauerausstellung eines Kunstmuseums für blinde und sehbehinderte Menschen eigenständig zugänglich sein. Lesen Sie dazu die folgende gemeinsame Pressemitteilung des DBSV und der Berlinischen Galerie:
Auf dem Weg zum barrierefreien Museum
Dauerausstellung der Berlinischen Galerie wird zugänglich für blinde und sehbehinderte Menschen
Berlin, 27. September 2017. Erstmalig in Deutschland wird die Dauerausstellung eines Kunstmuseums für blinde und sehbehinderte Menschen eigenständig zugänglich sein. In enger Kooperation mit dem Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) wurde über zwei Jahre daran gearbeitet, die Sammlungspräsentation „Kunst in Berlin 1880-1980“ mit Tastmedien, Leitsystem und einer Museums-App auszustatten, um ein inklusives Kunsterlebnis zu schaffen.
Nachdem das Landesmuseum bereits seit 2013 seine Sonderausstellungen regelmäßig für Menschen mit unterschiedlicher Art von Behinderung konzipiert und öffnet, liegt nun der Fokus auf der Dauerausstellung. Im Vordergrund des Kooperationsprojekts stand der gemeinsame Lernprozess an konkreten Praxisbeispielen: Wie muss ein Tastmodell von einem Kunstwerk beschaffen sein, damit blinde Menschen es optimal nutzen können? Welche Technologie eignet sich, um Informationen zu den Kunstwerken aufzubereiten – für blinde, sehende und gehörlose Gäste auf dem eigenen Smartphone? Wie müssen Orientierungshilfen und Leitsysteme gestaltet sein? Gemeinsam haben Vertreterinnen und Vertreter des Museums und des DBSV zukunftsfähige Lösungen diskutiert und entwickelt.
Als erstes Ergebnis geht im Oktober 2017 die blinden- und sehbehindertengerechte Präsentation der Ausstellung „Kunst in Berlin 1880-1980“ in den Praxistest. Sieben Tastmodelle, eine inklusive App-Tour mit 17 Stationen zu wichtigsten Werken sowie über 300 laufende Meter taktiles Bodenleitsystem: Mit diesen Angeboten entsteht ein Museumserlebnis mit mehreren Sinnen, das behinderten und nicht behinderten Menschen offen steht. Vermittlungsmedien, die den Tastsinn ansprechen, stehen damit gleichberechtigt neben dem Einsatz neuester Technologien.
Das Projekt „Kultur mit allen Sinnen“ ist eine Kooperation der Berlinischen Galerie, Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, mit dem Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband e.V. und wird gefördert von der Aktion Mensch.
Kunst zum Anfassen: Zweidimensionale Highlights der Berlinischen Galerie – wie etwa „Der synthetische Musiker“ von Ivan Puni und „Die Tür“ von Werner Heldt – wurden taktil umgesetzt. So unterschiedliche Materialien wie Filz, Textil oder Holz vermitteln einen plastisch-stofflichen Eindruck des Originals. Wer jemals ein Museum besucht hat, kennt den Wunsch, einmal Kunst „anzufassen“ – hier wird er Realität. Und dies nützt nicht nur blinden Gästen: Denn alle, auch Kinder und Familien, können künftig dank der Tastmodelle Kunst mit zwei Sinnen wahrnehmen.
App-Tour und taktiles Leitsystem: Die neue, inklusive App kann bequem auf dem eigenen Smartphone genutzt und mit automatischer Auslösung gesteuert werden. Neben spannenden Hintergrundinformationen bietet sie spezielle beschreibende Texte, die eine genaue Vorstellung vom Original geben. Die App gibt zudem Orientierungshinweise, die in Kombination mit dem Bodenleitsystem einen eigenständigen Ausstellungsbesuch ermöglichen.
So realisiert die Berlinische Galerie in ihrer Sammlungspräsentation den selbständigen Zugang für blinde und sehbehinderte Menschen. Das Haus setzt damit schrittweise die Forderung der UN-Behindertenrechtskonvention um, die den Ausstellungsbesuch „ohne fremde Hilfe“ als Menschenrecht vorsieht. Da gerade in unserer vielfältigen Gesellschaft unterschiedliche Zugänge zu Kunst und kulturellen Einrichtungen von großer Relevanz sind, verstehen die Kooperationspartner ihre Initiative ausdrücklich als inklusiven Ansatz. Eine Erweiterung durch Angebote in Deutscher Gebärdensprache oder Leichter Sprache ist für die kommenden Jahre geplant.
Tastführungen: Ein umfangreiches Vermittlungsprogramm rundet die Sammlungspräsentation ab. Neben spannenden Informationen über die Kunstwerke werden bei den Tastführungen ausführliche Bildbeschreibungen gegeben. Tastobjekte, Hörbeispiele sowie kleine taktile Experimente kommen zum Einsatz.
– 09.10., 14 Uhr Kuratorenführung zur Sammlung (Dauer 90 min.) / 15.10., 16 Uhr Inklusiver Sammlungsrundgang. Beide Termine sind geeignet für blinde, sehbehinderte und sehende Gäste (im Rahmen der „Woche des Sehens“)
– 28.01., 11 Uhr / 29.04., 16 Uhr / 29.07., 11 Uhr Tastführungen in der Sammlungspräsentation
Die Tastführungen dauern jeweils 120 Minuten.
Die Teilnahme an den öffentlichen Führungen ist im Eintrittspreis enthalten. Teilnahme nach Anmeldung (bis 4 Tage vor dem jeweiligen Termin). Tastführungen können auf Nachfrage auch von Erwachsenengruppen oder Schulklassen gebucht werden.
Anmeldung zu öffentlichen Führungen und Buchung von Gruppenführungen:
bildung@berlinischegalerie.de, Tel. 030-78902-832
Die barrierefreie Sammlungspräsentation wird erstmals am 4. Oktober im Rahmen der Pressekonferenz zur Sonderausstellung „Jeanne Mammen“ präsentiert. Zum exklusiven Pressetermin mit Expertinnen und Experten am 24.11. um 9.30 Uhr wird gesondert eingeladen.
Weitere Informationen online:
www.berlinischegalerie.de und www.dbsv.org/museum.html